Ist es endlich geschafft? Ein Konsortium von Bitcoin-Unternehmen und Minern hat eine Einigung im jahrelangen Streit um die Anhebung der Blocksize bekannt gegeben: Man wird sobald wie möglich SegWit aktivieren und im Lauf der nächsten sechs Monate eine Hardfork zu 2 MB durchführen. Was ist bisher über das Agreement bekannt? Was ist noch vage? Wie wird es diskutiert?
Aristide Briand, einer der Väter der Europäischen Union, hat gesagt, ein Kompromiss sei nur dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind. Sollte der Friedensnobelpreisträger recht haben, hat die Konsens-Allianz von Barry Silbert eine gute Chance, den Blocksize-Streit zumindest vorübergehend zu beenden.
Barry Silbert von der Digital Currency Group, einer Gruppe von Investoren, die Dutzende von Krypto-Startups finanziert, hat eine massive Allianz aus Minern und Bitcoin-Unternehmen gebildet. Das Dokument wurde gestern abend veröffentlicht. Da am Wochenende in New York die Consensus2017 stattgefunden hat, das größte Event der Kryptobranche, ist anzunehmen, dass sich viele derjenigen, die das Abkommen tragen wollen, dort in Hinterzimmern getroffen haben.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Agreement
Was ist der Inhalt?
Die Unterzeichner erklären, augenblicklich und parallel zwei Upgrades auf Basis des SegWit2MB Vorschlags durchzuführen: Zum einen wird SegWit mit einer Schwelle von 80 Prozent über das Versionbit 4 aktiviert. Zum anderen wird im Laufe der nächsten sechs Monate eine Hardfork zu 2 MB vollzogen.
Wer steht dahinter?
Laut dem Agreement repräsentieren die Unterzeichner eine kritische Masse des Bitcoin-Ökosystems. Es sind 56 Unternehmen in 21 Ländern, die derzeit 83,28 Prozent der Hashpower aufbringen, 5,1 Milliarden Dollar im Monat auf der Blockchain überweisen und 20,5 Millionen Bitcoin Wallets für User bereitstellen.
Unterzeichnet haben etwa Miner Bitmain, BitFury, F2Pool, Genesis Mining, BTC.TOP 1Hash, BitClub und weitere, die Börsen ANX, bitFlyer, Bitso, Coinbase, coins.ph, ShapeShift, surBTC und anderen, sowie Dienstleister wie Blockchain.info, BitPay, Bitwala, Circle, Abra und noch viele mehr. Es ist eine eindrucksvolle Allianz einer Vielzahl von Firmen, die das Rückgrat der Bitcoin-Wirtschaft bilden. Es ist, anders gesagt, die ökonomische Majorität, auf welche die UASF abzielt.
Technisch unspektakulär, aber elegant
Technisch ist das neue Abkommen nicht herausragend spannend. Es ist weitgehend deckungsgleich mit dem alten Abkommen von Hongkong, mit dem einige Core Devs – darunter Luke-JR und Matt Corallo sowie der Blockstream-CEO Adam Back – im Frühjahr 2016 mit einer Mehrheit der Miner vereinbart hatte, SegWit mit einer Erhöhung der Blocksize durch eine Hardfork zu verbinden.
Barry Silberts Abkommen sieht nun erneut eine Kombination von SegWit und 2MB Hardfork vor. SegWit solle so schnell wie möglich aktiviert werden, während in spätestens sechs Monaten eine Hardfork die Blocksize auf 2 MB erhöht. Es gibt zwei Details, die das ganze etwas vage machen: Zum einen soll SegWit mit 80 anstatt 95 Prozent und auf Versionbit 4 anstatt Versionbit 1 aktiviert werden. Dies macht die Aktivierung durch die Hashrate zwar wahrscheinlicher, bedeutet aber, dass alle Nodes, die schon jetzt bereit für SegWit sind, updaten müssen, um endlich SegWit zu bekommen.
Zum anderen ist noch nicht bekannt, ob und wie eine Hardfork zu 2MB von Beginn an in die Software eingeschrieben wird, so dass bei der Aktivierung von SegWit schon feststeht, dass es in sechs Monaten (oder zuvor) zu einer Hardfork kommen wird. Es könnte sein, dass die beiden Punkte zusammenhängen: Das Versionbit zwingt diejenigen, die SegWit wollen, zum Update, und das Update enthält bereits die Hardfork.
Politisch der Knüller
Politisch ist das Abkommen brisant. Im Prinzip wiederholt es die Übereinkunft, die einige Core-Entwickler mit den Minern Anfang 2016 getroffen haben. Nur ist diesmal kein Core-Dev involviert, sondern lediglich dieselben Minern mit den Vertretern der Wirtschaft.
Das Agreement verweist explizit auf Sergio Lerners Vorschlag SegWit2MB. Der argentinische Bitcoin Entwickler hat diesen vor wenigen Monaten in die Bitcoin-Mailing-List eingebacht. Dort wurde er von Matt Corallo mit einer Flut an Zweifeln, Korrekturen und Verbesserungswünschen zurückgewiesen. Dass das Abkommen diese ignoriert, ist ein weiteres Zeichen dafür, dass Wirtschaft und Miner nicht länger auf Core warten wollen, um sich auf eine unmittelbare Kapazitätserhöhung zu verständigen.
Anscheinend sind die Core Entwickler den Verhandlungen nicht nur fern geblieben, sondern wurden explizit ausgeladen. Zumindest erzählt  Core Entwickler und Blockstream CTO Gregory Maxwell, dass Blockstream-Mitarbeiter wie Adam Back oder Samson Mow ausgeladen wurden.
Dieses geschlossene Auftreten der Wirtschaft wird vor allem durch Stephen Pair und Barry Silbert ermöglicht. Pair ist Geschäftsführer von BitPay, dem mit weitem Abstand größten Payment-Provider für Bitcoin. Er alleine wirft ein riesiges Gewicht in die Waagschale. Silbert hingegen ist ein Großinvestor in Bitcoin selbst und der Chef der Digital Currency Group, der wohl größten Investorengesellschaft für Bitcoin-Startups. Sowohl Pair als auch Silbert haben in den letzten Wochen zunehmend vehement erklärt, dass sie das Kapazitätsproblem lösen werden.
Unterstützt wird diese Koalition von Bitmain aus China, dem mit Abstand größten Hersteller von Mining-Hardware, sowie BitFury, dem größten Solominer der Welt, der eigentlich bisher als Antipol zu Bitmain treu zu Core und SegWit stand. Auch Coinbase, größter Bitcoin-Verkäufer der USA und eines der größten Online-Wallets, sowie sein in dieser Hinsicht direkter Konkurrent, Blockchain.info, stehen für das Abkommen. Die Wirtschaft und die Miner scheinen geschlossen entschlossen zu sein, das Kapazitätsproblem zu lösen. Die Core Entwickler können mitmachen, oder auch nicht. Es ist nicht länger ihre Entscheidung.
Das Echo
Das neue Konsens-Abkommen könnte dem gerecht werden, was Aristide Briand von einem vollkommenen Kompromiss verlangt: Alle sind unzufrieden. Sowohl die Seite der Big Blocker als auch die Seite der Small Blocker.
Core
Insbesondere unzufrieden sind die Core Entwickler und ihre Fans. Bereits auf Medium, wo Barry Silbert das Agreement veröffentlicht hat, marschiert eine Brigade auf, die es zerreisst und die #UASF fordert: “Fuck Your 2MB. UASF”.
Weiter geht’s mit Statements von Luke Dashjr, Eric Lombrozo, Gregory Maxwell und Matt Corallo: Lombrozo, der bereits auf einem Panel auf der Consensus2017 mit UASF-Mütze aufgetreten ist, behauptet, die Miner wollten nur SegWit weiter verzögern, um von den hohen Gebühren zu profitieren. Das Abkommen nennt er eine “Scharade”, die er für die User mit allem bekämpfen werde, was notwendig, damit sie ende.

4/ I am committed to empowering the users with whatever tools necessary to end this charade.
— Eric Lombrozo (@eric_lombrozo) May 24, 2017

Luke Dashjr meint hingegen auf reddit, dass er keinen anderen Zweck als Boshaftigkeit darin erkenne, SegWit über das Versionbit 4 anstatt 1 zu aktivieren. Dies werde, so Luke, bedeuten, SegWit neu auszurollen, was nicht unter einem Jahr machbar sei. Für ihn bleibt UASF der einzige richtige Weg. Er schlägt jedoch eine “echte 2 MB Blocksize hard fork” vor – aber erst nach der UASF. In dieser erhöht er die Blocksize auf 2MB, während das Blockweight bei 4MB bleibt. Auf reddit erklärt er den “Community Scaling Compromise” – die Hardfork im November 2018 zu 2MB werde nur stattfinden, wenn die gesamte Community bis November 2017 damit einverstanden ist. Also vorausichlich niemals.
Auch Gegory Maxwell beklagt den Wechsel des Version Bits, weil dies die Aktivierung von SegWit um ein Jahr verzögern werde. Matt Corallo schließlich, der zwar Mit-Gründer von Blockstream ist, aber mittlerweile bei Chaincodelabs arbeitet, schließt sich der Kritik am Abkommen an: Zunächst ist er enttäuscht, dass das Feedback an Lerners Segwit2MB Vorschlag – also seine Reaktion – sowie die Diskussion eines Leaks von Silberts Agreement in der Mailing List vollständig ignoriert werden. Auch er kritisiert, dass der Wechsel des Versionbits ein massives Problem sei, das SegWit weiter verzögern werde. Zusammen mit der Vorbereitung einer Hardfork in maximal sechs Monaten sei dies unmöglich ordentlich zu entwickeln, zu prüfen und zu testen.
Unlimited
Aber auch das Camp Unlimited will nicht so recht glücklich mit dem Abkommen sein. Zum einen sind viele einfach nur enttäuscht, dass nach all den Jahren des Verhandelns und Diskutierens und Streitens ein solcher Minimal-Kompromiss steht. Viele beklagen, dass die Reihenfolge falsch sei, anstatt zuerst SegWit sei zuerst die klare Erhöhung der Blocksize notwendig, und überhaupt: Es gibt bereits jetzt Bedarf für 2 MB. Notwendig sind keine kleinen Erhöhungen, sondern eine nachhaltige Lösung mit mindestens 8MB.
Manche fürchten, dass, sobald einmal SegWit aktiviert wurde, Core alles menschenmögliche versuchen wird – wie Eric Lombrozos Tweet ja auch bezeugt – um SegWit zu behalten, aber die Hardfork aus dem Code heraus zu operieren. Manche wollen auch am liebsten überhaupt kein SegWit, weil es für sie ein Werk von Blockstream ist, weil es zuviele Nachteile hat und weil, überhaupt, es der Community mit zuviel Penetranz eingehämmert werde, wie grandios SegWit sei. Viele Miner, die auf Bitcoin.com und ViaBTC Cloud-Mining-Verträge gekauft haben, um Bitcoin Unlimited zu unterstützen, sind enttäuscht, dass sie nun für SegWit stimmen werden. Insbesondere unter chinesischen Minern scheint sich derzeit ein Ärger auf die Pool-Betreiber breitzumachen, die dieses Abkommen unterschrieben haben.
Da aber sowohl Jihan Wu als auch Roger Ver von Bitcoin.com, die beiden bedeutsamsten Befürworter von Bitcoin Unlimited, das Abkommen mit unterzeichnet haben, ist von dieser Seite aus weniger Widerstand gegen dessen Ausführung zu erwarten. Viele aus diesem Lager sind auch einfach nur froh, dass etwas geschieht und Bitcoin wieder besser benutzbar wird.
Alles noch nicht ganz klar
Allerdings war Roger Ver bei der Unterzeichnung des Abkommens nicht zugegen. Er erklärt, er habe es so verstanden, dass es zunächst eine Hardfork zu 2MB geben müsste. SegWit würde dann folgen, wenn 80 Prozent der Hashrate die Zustimmung signalisierten. Ebenfalls nicht hundert-prozentig einig, worüber sie gerade reden, scheinen sich George KIkvadse von BitFury und Jihan Wu von Bitmain zu sein. Kikvadze tweetet, dass es nun sehr bald SegWit gebe, und meint sogar, es könne vielleicht mit 95 Prozent wie geplant aktiviert werden.

@LukeDashjr @svnlyte Indeed its #Segwit and its coming to #Bitcoin shortly!
— George Kikvadze (@BitfuryGeorge) May 23, 2017

Jihan Wu von Bitmain meint hingegen, dass ein Anstieg der Blocksize per Hardfork bereits im Code sei, wenn SegWit aktiviert wird.

@todu77 It will be locked-in by the code. While at the same time, Tothemoon will be very mature.
— Jihan Wu (@JihanWu) May 23, 2017

Es scheint noch nicht alles endgültig festgezurrt zu sein. Aber man kann hoffen, dass dies in den kommenden Monaten geschehen wird – und dass Bitcoin dann mit SegWit plus zwei MB genügend Raum und Zeit bekommt, um weiter zu wachsen und eine Lösung zu finden, wie man danach weiter skalieren wird.Filed under: Deutsch
Source: Bitcoin Blog

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