Das war das Wochende: BU-Hashrate erreicht 40 Prozent — Fast 20 Börsen plus Coinbase geben Statement zum Umgang mit Hardfork heraus — BitFinex führt Hardfork-Futures ein — Preis stürzt um mehr als 10 Prozent ein — “Nuklearschlag” PoW-Wechsel diskutiert. Details gibt’s im Artikel.
Poah. Am Wochenende war ich quasi rund um die Uhr damit beschäftigt, Kommentare freizugeben und zu beantworten und dazwischen nachzuschauen, was es Neues gibt. Die Hardfork-Debatte hat die Bitcoin-Szene im Griff, weckt Emotionen, schürt Ängste und nimmt jeden, der zu tief drin steckt, in extremer Weise mit. Es scheint um alles oder nichts zu gehen.
Die Ausgangsbasis der Ereignisse des Wochenendes ist, dass die Bitcoin-Miner mehr und mehr auf eine alternative Bitcoin-Implementierung namens Bitcoin Unlimited umsteigen. Diese könnte zwar helfen, die Kapazität von Bitcoin zu erhöhen, droht aber auch, eine Hardfork einzuleiten und Bitcoin in zwei Blockchains zu spalten.
In den letzten drei Tagen ist nun das folgende passiert: Zuerst haben fast 20 Börsen ein Statement abgegeben, wie sie mit einer Hardfork umgehen wollen, und die Börse BitFinex hat kurz darauf den Handel mit Fork-Futures eingeführt. Der Anteil der Bitcoin-Unlimited-Blöcke stieg derweil kurzfristig auf mehr als 40 Prozent, was einen Core Entwickler so sehr besorgt hat, dass er einen Wechsel des Mining-Algorithmus ins Spiel brachte, um einen Angriff der Miner zu stoppen. Allerdings brachte Todd damit auch die Core-treuen Miner wie BitFury und BitClub gegen sich auf. Die Märkte sind beunruhigt und weichen auf Altcoins aus.
Nun zu den Details:
Börsen werden Bitcoin Unlimited als Altcoin listen
Am Freitag Abend berichtete Coindesk über ein Statement von beinah 20 Börsen, in welchem sie darlegen, wie sie mit einer Hardfork durch Bitcoin Unlimited umgehen werden. Der Originaltext wurde von Coindesk auf Scribd veröffentlicht. Unter den Börsen sind unter anderem BitStamp, Shapeshift, BTCChina, Bittrex, Kraken und BitFinex.
Wir wollen der Community ein Update über die Prozedur geben, mit der wir, als eine Branche, vorhaben, auf das Ereignis einer umstrittenen Hardfork Aktivierung im Bitcoin Netzwerk zu reagieren.
Die Börsen erklären, dass sie kein Urteil über ein solches Ereignis abgeben wollen. Es sei das Recht der Miner, ihre Hashrate auf alternative, inkompatible Bitcoin Implementierungen zu richten. Die Börsen jedoch meinen, dass eine solche Hardfork nur mit dem Konsens von Minern und Usern stattfinden sollte, der derzeit noch nicht erreicht sei.
Wir können es uns nicht erlauben, im Falle einer Hardfork den Handel auszusetzen, bis sich ein Gewinner herausgebildet hat […] Allein aus operativen Anforderungen sind wir gewzungen, eine inkompatible Fork als ein neues Asset einzuführen. Da es scheint, als würde eine Hardfork am ehesten durch das Bitcoin Unlimited Projekt initiiert, haben wir uns entschieden, die Bitcoin Unlimited Fork als BTU (oder XBU) zu listen. Die Bitcoin Core Implementierung wird weiterhin als BTC (oder XBT) gehandet.
Dies wird auch dann der Fall bleiben, wenn die BTU Chain mehr Hashing Power hat.
Einige der Börsen haben vor, den Handel mit BTU einzuführen und werden die entsprechenden Schritte ergreifen, um dies zu ermöglichen. Allerdings kann “keiner der Unterzeichner BTU zum Handel freigeben, solange wir nicht beide Ketten unabhängig voneinander ohne Zwischenfall hosten können.” Konsequenterweise bestehen die Börsen darauf, dass Bitcoin Unlimited (oder jede andere künftige Hardfork) eine “starke 2-Wege replay protection” implementieren.
Replay Angriffe während einer Fork bedeuten, dass die Tatsache ausgenutzt wird, dass Transaktionen im Falle einer Hardfork prinzipiell auf beiden Seiten gültig sind, es aber möglich ist, sie auf der anderen Fork zu double spenden. Kann also passieren, dass eine Börse (oder sonst ein Wallet-Provider) Probleme bekommt, zu erkennen, auf welcher Seite der Fork eine Zahlung gelandet ist. Eine Möglichkeit, das zu verhindern, wäre es, das Transaktionsformat zu ändern.
Änderungen im Dokument
Kurz nach der Veröffentlichung wurde der Coindesk-Artikel noch einmal abgeändert. Ein wenig später beschwerten sich auch Eric Vorhees von Shapeshift und Jesse Powell von Kraken öffentlich, dass das Statement nach der Unterschrift geändert wurde – ruderten kurz darauf aber zurück und sagten, es sein ein Missverständnis von ihnen gewesen. Etwas ähnliches war von Bittrex zu hören.
Ein Vergleich der beiden Versionen zeigt – sofern er autentisch ist – dass vor allem zwei Punkte nachträglich geändert worden sind: Zum einen wurde die Anmerkung gestrichen, dass die Börsen langfristig, wenn die Fork Chain die bei Minern und Usern dominante Chain wird, ihr die Ticker-Abkürzung BTC geben werden. Zum anderen wurde die Forderung an Bitcoin Unlimited, einen Schutz vor Replay-Angriffen einzubauen, verschärft.
Zwei Lesarten
Man kann das Statement auf zwei Arten lesen. Die radikale Variante wäre, dass die Börsen den BTC Ticker für die Bitcoin-Implementierung reservieren, die von einer bestimmten Gruppe von Entwicklern, Bitcoin Core, gepflegt wird.
Die weniger radikale Variante wäre, dass die Börsen immer die Implementierung als BTC listen, die NICHT diejenige ist, die als ERSTES eine Hardfork einleitet. Möglicherweise werden sie jedoch eine Hardfork rückwirkend BTC nennen, sofern diese die klare Mehrheit von Minern und Usern repräsentiert. Wie man die “klare Mehrheit der User” messen kann, ist eine spannende Frage, die wir uns in den kommenden Monaten vermutlich noch öfter stellen werden.
Coinbase
Coinbase – die wichtigste Börse für den US-Markt – war nicht unter den Unterzeichnern, gab jedoch am Sonntag ebenfalls eine kurze Stellungnahme ab.
Die einzige Version von Bitcoin, die derzeit von der Coinbase-Plattform benutzt wird, ist Bitcoin Core, repräsentiert durch das Symbol BTC. Wir könnten in Zukunft Bitcoin Unlimited untestützen, abhängig vom Marktumfeld und der Stabilität des Protokolls, aber wir können nicht garantieren, wann und ob dies möglich ist.
Coinbase empfiehlt den Kunden, Bitcoins während einer Fork von der Plattform abzuziehen, da man nicht garantieren kann, dass der kontrollierte Zugriff auf die verschiedenen Versionen gewährleistet werden kann.
Wenn eine Chain von der überwältigenden Mehrheit von Minern, Usern und Börsen unterstützt wird, behalten wir uns jedoch vor, die Namen der Chains zu ändern oder eine nicht mehr zum Handel zuzulassen.
Coinbase-CEO Brian Armstrong hatte zuvor auf reddit erklärt, warum er das Statement der Börsen nicht mit unterschrieben hat:
Meine Befürchtung war, dass es in Wahrheit ein kaum verhüllter Versuch ist, die Abkürzung BTC mit der Software von Core zu verbinden. Ich denke, einigen der Leute, die ihre Namen darunter gesetzt haben, war das nicht klar.
Prinzipiell aber findet Armstrong es eine gute Idee, eine Fork zumindest vorübergehend unter einer neuen Abkürzung zu führen, und stimmt zu, dass Relay Angriffe ein ernstzunehmendes Problem sind. Er versteht aber auch, dass Bitcoin Unlimited nicht den Preis zahlen möchte, alle Arten von SPV-Wallets zu brechen, indem das Transaktionsformat geändert wird, und möchte konstruktive Gespräche darüber führen, wie man sich vor Replay Attacks schützen kann.
Preis
Der Markt hat das Statement der Börsen mit Entsetzen aufgenommen. Der Kurs ist fast unmittelbar nach der Veröffentlichung eingebrochen. Von 1.050 Euro bis hinab auf 870, nun wieder einigermaßen stabil bei 960. Die Rally der Altcoins – vor allem Ethereum und Dash – hat sich derweil fortgesetzt. Der Bitcoin-Dominance-Index, der den Anteil von Bitcoin an der Marktkapitalisierung aller Kryptowährungen misst, ist auf einen neuen Tiefstand von bedrohlichen 70 Prozent gesunken.
Warum der Markt so reagiert, kann niemand sagen. Eine Erklärung wäre, dass eine Hardfork nun klarer in Aussicht gekommen ist und der Markt fürchtet, dass diese einen großen Schaden anrichtet.  Eine andere wäre, dass es den Erfolg von Bitcoin Unlimited unwahrscheinlicher macht, wenn die Fork als Altcoin gelistet wird. Man kann es so oder so sehen. Vielleicht gibt der Markt aber auch einfach langsam die Hoffnung auf, dass sich die Bitcoin-Community jemals einig werden wird, und dass der Streit mittlerweile eine Schärfe erreicht hat, in der es auf beiden Seiten Leute gibt, die lieber alles niederbrennen, als im Unrecht zu sein …
BitFinex gibt Futures auf die Fork heraus
Die Börse BitFinex hat kaum einen Tag später damit begonnen, aus der Krise Profit zu schlagen. Sie bietet Futures auf die beiden Seiten der Fork an, BCC und BCU. Die Futures gelten bis Ende 2017. Wenn es zu diesem Zeitpunkt zu einer Fork kommt, werden die BCC-Token automatich in Bitcoin Core Einheiten getauscht (BTC), und die BCU-Token in Bitcoin Unlimited Einheiten (BTU). Man kann also schon jetzt einen Bitcoin in Core und Unlimited aufspalten und damit traden. Sollte es bis Ende des Jahres zu keiner Fork mit zwei Chains kommen, werden die BCU Token ohne Entschädigung aufgelöst.
Das Produkt ist insgesamt nicht ganz unproblematisch, aber es ist ein erster Versuch, die schwierige Frage von oben zu beantworten: Was will der User?
Bisher ist der User, wie es aussieht, nicht allzu sehr an dem Produkt von Finex interessiert. Das Handelsvolumen ist eher mikrig, der Preis hat zwischen 0,2 und 0,3 Bitcoin je Unlimited-Token (und dementsprechend 0,7-0,2 Bitcoin je Core-Token) geschwankt und pendelt sich etwa bei 0,25 Bitcoin ein.
Unlimited Blöcke erreichen kurzzeitig mehr als 40 Prozent
AntPool, der größte Mining-Pool von Bitcoin, rüstet seit gut einer Woche sukzessive seine Server um. Ungeachtet des Bugs in Bitcoin Unlimited hat AntPool diese Operation nun fast oder vollständig abgeschlossen. Die Folge war, dass die Hashrate, die für Unlimited votiert, kurzzeitig auf mehr als 40 Prozent gestiegen ist und im 1.000 Blöcke Durchschnitt bereits bei rund 35 Prozent liegt. Deutlich höher als die Hashrate für SegWit.
Wenn man noch berücksichtigt, dass BW Pool – verantwortlich für knapp 8 Prozent der Hashrate – schon seit langem mit seinen Blöcken für 8 MB stimmt, und damit prinzipiell mit einer Fork einverstanden sein dürfte, liegt eine Hardfork durch Bitcoin Unlimited erstmals im Bereich des Möglichen.
Peter Todd: PoW-Änderung als Backup-Plan
Ein Teil der Bitcoin-Community empfindet das, was derzeit abläuft, als Angriff. Die Miner – möglicherweise im Verbund mit der chinesischen Regierung – ermächtigen sich, gegen den Willen der Mehrheit das Bitcoin-Protokoll zu ändern. Zwar ermächtigen sie sich mit Bitcoin Unlimited nur die Möglichkeit, sich zu ermächtigen, aber das ist schon bedrohlich genug.
Ein Tweet von Core-Entwickler Peter Todd zeigt, wie sehr die Miner als Bedrohung wahrgenommen werden:

With some miners threatening 51% attacks against Bitcoin, researching a PoW change is a good backup plan: https://t.co/SEZ1qlxhAH
— Peter Todd (@petertoddbtc) March 19, 2017

Auf Deutsch: Wenn einige Miner mit einem 51-Prozent-Angriff gegen Bitcoin drohen, wird die Erforschung eines PoW-Wechsels ein guter Backup-Plan.
Auf verständlich: PoW meint den Proof-of-Work, den kryptographischen Algorithmus, durch den sich die Miner durcharbeiten müssen, um Blöcke zu finden. Der Algorithmus von Bitcoin basiert auf SHA 256. Er ist “relativ einfach” und in mancherlei Beziehung nicht perfekt. Wenn nun die Entwickler den Algorithmus ändern, wird die gesamte Hardware der Bitcoin-Miner über Nacht wertlos. Diese manchmal als “Nuklearschlag” bezeichnete Option ist die letzte Zuflucht, wenn sich die Miner verschwören, um Bitcoin zu zerstören.
Diese Option könnte zudem wie die User-activated Softfork ein wichtiges Druckmittel sein, um die Miner an verantwortlungslosen Entscheidungen zu hindern, falls sich Bitcoin Unlimited durchsetzt.
BitFury ist not amused
BitFury ist ein Hersteller von Mining-Hardware, mit mehr als 10 Prozent der Hashrate der größte Solominer der Welt und der wichtigste Unterstützer von Cores SegWit. George Kikvadze, der stellvertretender Vorsitzende von BitFury, reagiert empört auf Ideen, den Mining-Algorithmus zu ändern.

1/3 Discussions (or even speculation) of PoW change are super irresponsible! And even in the remote 0,01 prc chance it may happen …
— George Kikvadze (@BitfuryGeorge) March 19, 2017

Diskussionen über eine PoW-Änderung sind “äußerst verantwortungslos”, so Kikvadze. Er droht mit juristischer Vergeltung:

2/3 .. those responsible, we will spare no resources, get best lawyers and prosecutors to go after you wherever you will be in the world!
— George Kikvadze (@BitfuryGeorge) March 19, 2017

Auf Deutsch: Wir werden keine Koste scheuen und die besten Anwälte und Staatsanwälte nehmen und dich verklagen, wo auch immer du auf der Welt bist!
Kikvadze hat zuvor übrigens getwittert, dass er sich mit Jihan Wu von BitMain / AntPool getroffen und gute Gespräche in China gehabt hat. Er ist optimistisch, dass man das Scaling-Problem lösen wird, und fordert alle auf, mit den ständigen Attacken aufzuhören. Natürlich bekommt er als Antwort gleich einen Tweet, der sagt, dass BitMain eine “Zerstörungsmaschine” baut, woraufhin Kikvadze twittert, dass alle blockieren wird, die nicht aufhören, ständig anzugreifen und Personen zu beleidigen.
In diesem ganzen Blocksize-Hardfork-Drama hat sich BitFury in eine äußerst interessante Position manövriert: BitFury ist der größte Miner, der für SegWit signalisiert und stellt ungefähr 40 Prozent der Pro-SegWit-Hashrate. Wenn BitFury die Seiten wechselt, ist die Debatte – zumindest unter den Minern – mehr oder weniger zu Ende.
BitClub
Relativ eng mit BitFury verbunden ist der etwas mysteriöse Pool BitClub. Wie BitFury stimmt BitClub von Anfang an für SegWit. Kurz nach der Twitter Diskussion um den PoW-Wechsel hat BitClub einen Block veröffentlicht, der sowohl SegWit als auch Bitcoin Unlimited signalisiert, allerdings Bitcoin Unlimited mit der Einstellung maximale Blocksize 1 und Acceptable Depth 999999, was im Kern dasselbe ist wie Core, jedoch mit dem Vorbehalt, es unter gewissen Umständen zu ändern.
Was BitClub damit sagen will, weiß ich nicht. Aber es könnte eine Warnung sein.
In eigener Sache
Wir diskutieren hier sehr viel und sehr kontrovers über das Blocksize-Thema. Aus den Diskussionen mit euch weiß ich, dass sehr viele eine sehr andere Meinung haben als ich, aber erfreulicherweise dennoch höflich bleiben. Ich versuche, in den Artikeln nur zu berichten, was geschieht, und meine eigene Meinung soweit wie möglich auszuklammern, auch wenn dies einem Autor niemals vollständig gelingen kann. Alles, was hier an Meinung durchschimmert, ist meine Meinung, und nicht die von Bitcoin.de, dem Sponsor dieses Blogs.
Ich freue mich auf Diskussionen!Filed under: Deutsch Tagged: bitcoin unlimited, Blocksize, Hardfork, Mining
Source: Bitcoin Blog

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